Gesetzesmaterialien zum Netzausbaurecht. Группа авторов
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Grundrechtsbetroffenheit der anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber
Die Entschädigungspflicht des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers gegenüber dem Betreiber der Offshore-Windanlage auch für nicht verschuldetes Verhalten stellt einen Eingriff in die durch Artikel 12 des Grundgesetzes (GG) geschützte Berufsfreiheit des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers dar. Die Pflicht, auch für unverschuldetes Verhalten eine Entschädigung zu leisten, schränkt den betroffenen, anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber in seiner unternehmerischen Freiheit ein, weil ihn ggf. Zahlungsverpflichtungen in erheblicher Höhe treffen könnten.
Bei der Beurteilung, ob sich die Entschädigungspflicht des Übertragungsnetzbetreibers als verhältnismäßig darstellt, sind auch die Möglichkeiten zum Belastungsausgleich und zur Wälzung zu berücksichtigen. Soweit den Übertragungsnetzbetreiber kein Verschulden an dem Schadensereignis trifft, z. B. auf Grund von höherer Gewalt, kann dieser sämtliche Kosten über den Belastungsausgleich wälzen. Im Fall fahrlässigen Verhaltens trifft den anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber nach Absatz 2 ein degressiv ausgestalteter Selbstbehalt abhängig von den Gesamtkosten aller im Kalenderjahr eingetretenen Entschädigungsfällen: bei Schäden bis 200 Mio. Euro besteht ein Selbstbehalt in Höhe von 20 Prozent, darüber hinaus für den Teil der Schäden von 200 bis 400 Mio. Euro in Höhe von 15 Prozent, darüber hinaus für den Teil der Schäden von 400 bis 600 Mio. Euro in Höhe von 10 Prozent und darüber hinaus für den Teil der Schäden von 600 bis 800 Mio. Euro in Höhe von 5 Prozent. Um einerseits eine Haftung für schuldhaftes Verhalten sowie Anreize zur Schadensvermeidung und Schadensminderung vorzusehen und andererseits eine finanzielle Überforderung des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers zu vermeiden, sinkt der Eigenanteil des Übertragungsnetzbetreibers mit Anstieg der Gesamtschadenssumme im Kalenderjahr. Für Schadenssummen, die 800 Mio. Euro im Kalenderjahr übersteigen, trägt der Übertragungsnetzbetreiber keinen Selbstbehalt mehr. Bei einer eingetretenen Schadenssumme in Höhe von 700 Mio. Euro würde der Übertragungsnetzbetreiber danach insgesamt 95 Mio. Euro selbst tragen: von den ersten 200 Mio. Euro trägt der Übertragungsnetzbetreiber 40 Mio. (20 Prozent) selbst, von den nächsten 200 Mio. Euro trägt der Übertragungsnetzbetreiber 30 Mio. (15 Prozent) selbst, von den nächsten 200 Mio. trägt der Übertragungsnetzbetreiber 20 Mio. (10 Prozent) selbst und von den letzten 100 Mio. trägt der Übertragungsnetzbetreiber 5 Mio. (5 Prozent). Nach der Regelung beträgt der maximale Selbstbehalt eines Übertragungsnetzbetreibers bei nicht vorsätzlich verursachten Schadensereignissen 100 Mio. Euro im Kalenderjahr. Bei vorsätzlichem Verhalten hat der betreffende anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber den Schaden in vollem Umfang selbst zu tragen, der „Selbstbehalt“ des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers beträgt in einem solchen Fall daher 100 Prozent. Eine Belastung der Verbraucher mit den Schadenskosten ist in diesem Fall vollständig ausgeschlossen. Die Pflicht des anbindungs- und betriebsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers bei vorsätzlichem Handeln eine volle Entschädigung zu leisten, kann den betroffenen Übertragungsnetzbetreiber zwar erheblich belasten, entspricht aber den hergebrachten Grundsätzen des Haftungsrechts, dass die Folgen schuldhaften Fehlverhaltens vom Verursacher zu tragen sind.
Bei fahrlässigem Verhalten ist ein Selbstbehalt des Übertragungsnetzbetreibers vorgesehen, der nicht allgemein sozialisiert werden kann. Soweit die Schadenssummen und damit die Entschädigungskosten den maximalen Selbstbehalt des Übertragungsnetzbetreibers übersteigen, werden diese Kosten vollständig im Rahmen des Belastungsausgleichs berücksichtigt und gewälzt. Dies führt zwar auch zu einer Belastung des betroffenen Übertragungsnetzbetreibers, entspricht aber auch hergebrachten Haftungsgrundsätzen, nach denen jeder für sein schuldhaftes Verhalten einzustehen hat. Die Pflicht, Rechtsgüter anderer nicht zu schädigen bzw. bei einer schuldhaften Verletzung dieser Rechtsgüter (z. B. Eigentum oder Vermögen des Windparkbetreibers) entsprechend Entschädigung zu leisten, ist verhältnismäßig.
Die Regelung, dass auch bei Fahrlässigkeit ein erheblicher Anteil der Entschädigungskosten in den Belastungsausgleich eingestellt werden und damit im Rahmen der Umlage berücksichtigt werden kann, ist sachlich gerechtfertigt. Die anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber werden im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im Interesse aller Stromverbraucher, verpflichtet, Energieerzeugungsanlagen in großer Entfernung zur Küste an das Übertragungsnetz anzuschließen. Dazu werden neue, noch risikobehaftete, Technologien eingesetzt. Damit die Unternehmen die entsprechenden Risiken eingehen, ist es Aufgabe des Gesetzgebers einen Rahmen zu schaffen, der einen gewissen Risikoausgleich gewährleistet. Von der Erzeugung auf See profitiert die Allgemeinheit durch eine sichere Stromversorgung. Gleichzeitig sind es wenige Unternehmen, von denen die entsprechenden Risiken eingegangen werden. Um auch der besonderen Qualität fahrlässigen Verhaltens Rechnung zu tragen, wird ein begrenzter Selbstbehalt der Übertragungsnetzbetreiber eingeführt. Da vorsätzliches Verhalten eine besondere Unrechtsqualität aufweist, ist in diesen Fällen vorgesehen, dass die aus vorsätzlichem Verhalten resultierenden Kosten nicht in den Belastungsausgleich aufgenommen werden dürfen.
Grundrechtsbetroffenheit der nicht anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber
Absatz 1 sieht in seinem Satz 1 vor, dass alle Übertragungsnetzbetreiber den unterschiedlichen Umfang ihrer Kosten für die Entschädigung für eine verzögerte oder gestörte Anbindung einer Offshore-Anlage an das Übertragungsnetz des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers untereinander auszugleichen haben und im Anschluss wälzen können. Der Ausgleich selbst richtet sich nach den Maßgaben des Verteilungsschlüssels, der in § 9 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vorgesehen ist.
Die in Absatz 1 vorgesehene finanzielle Verrechnung zwischen den Übertragungsnetzbetreibern betrifft die nicht anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber in ihrer Berufsfreiheit aus Artikel 12 GG. Bei der Beurteilung, ob sich die Belastungen der nicht anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber als verhältnismäßig darstellt, sind auch die Möglichkeiten zur Wälzung auf Letztverbraucher zu berücksichtigen. Im Rahmen des Belastungsausgleichs zum Ausgleich der Entschädigungskosten, die bei einem Übertragungsnetzbetreiber wegen nicht rechtzeitig fertiggestellter oder gestörter bzw. gewarteter Anbindung einer Offshore-Anlage entstehen, werden zunächst der Saldo der im vorangegangenen Jahr erfolgten Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen gebildet und mit den im Folgejahr voraussichtlich entstehenden Entschädigungskosten zu einer Gesamtsumme addiert. Diese Gesamtsumme wird auf die Letztverbraucher verteilt, so dass jeder Letztverbraucher einen bestimmten Aufschlag auf die Netzentgelte pro Kilowattstunde zahlt. Letztlich wird so sichergestellt, dass jeder der vier Übertragungsnetzbetreiber den von ihm im Rahmen des Belastungsausgleichs zu tragenden Kostenanteil vollständig erstattet bekommt und die Kosten aus dem Belastungsausgleichmechanismus ein durchlaufender Posten für die Übertragungsnetzbetreiber sind.
Demgegenüber steht das Interesse am Ausbau von Windenergie Offshore, mit dem Ziel, den Umbau des Energieversorgungssystems voran zu treiben. Offshore-Windenergie ist ein wichtiger Baustein, um dieses Ziel zu erreichen. Hierfür ist die Entschädigungsregelung wie oben dargestellt zentral. Es wäre jedoch, angesichts der gesamtstaatlichen Bedeutung unangemessen, die Kosten für die Entschädigung allein in der Regelzone des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers zu wälzen, da in einem solchen Fall erhebliche regionale Ungleichgewichte entstünden, obwohl das Gelingen der Energiewende eine gesamtstaatliche Aufgabe ist.
Zudem ist in diesem Zusammenhang weiter zu berücksichtigen, dass auch die nicht anbindungspflichtigen Übertragungsnetzbetreiber einen Vorteil aus der Anbindung der Offshore-Windparks erhalten. Dieser Vorteil besteht darin, dass die Offshore-Windparks zumindest einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung auch in den Regelzonen der nicht anbindungspflichtigen Übertragungsnetzbetreiber leisten, indem neue Erzeugungskapazitäten für wegfallende konventionelle Erzeugungskapazitäten an das vermaschte deutsche Übertragungsnetz angeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund und mit Blick darauf, dass eventuelle Entschädigungskosten auch aus Sicht der nicht anbindungsverpflichteten